Radikal höflich
Barbara Djassi ist aus Berlin gekommen, um über radikale Höflichkeit im Umgang mit Populisten zu sprechen. Sie ist ehrenamtlich tätig bei der Initiative „Tadel verpflichtet“.
Radikal höflich mit Verschwörungstheorien umzugehen, ist gerade ihr wichtigstes Projekt.
Um mit dem Auditorium in Kontakt zu treten, setzt Djassi drei farbige Karten ein und ermutigt zu reger Beteiligung. Die gebürtige Thüringerin ist Pastorentochter und wuchs neben einer Kirche auf. Durch die Partnerschaft zu einer lutherischen Gemeinde in Westdeutschland kam sie mit dem Schwäbischen – und mit neuen Perspektiven des Denkens – in Verbindung.
Die Strategie des Populismus ist, Themen, die andere Menschen wirklich bewegen (Familie, Zukunft usw.), für die eigenen Zwecke der Beeinflussung zu verwenden. Das macht es im Gespräch so schwer, echte Sorgen von gezielter Beeinflussung zu unterscheiden. Radikale Höflichkeit bedeutet, sich nicht auf dieses Schema einzulassen, sondern Konflikte sachlich und respektvoll auszutragen und Hass und Ausgrenzung aktiv entgegenzutreten, denn, so Djassis feste Überzeugung: Wenn überhaupt, dann können die Gräben nur durch das Gespräch überwunden werden.
Das rechtspopulistische Weltbild funktioniert immer nach dem Schema „Wir“ und „die Anderen“. Die Anderen teilen sich in „Die da oben“ und „Die Fremden“, anhand derer Bedrohungsszenarios konstruiert werden, die die Menschen verunsichern und verängstigen.
Djassi macht darauf aufmerksam, dass dabei auch zunächst harmlos klingende Worte wie „Kulturkreis“ ideologisch aufgeladen werden können. Ein Wort wie „Flüchtlingsstrom“ zum Beispiel baut durch den Vergleich solcher aus der Not geborenen Bewegungen mit einer Naturgewalt eine Drohkulisse auf, die unbewusst zu Ängsten und Abgrenzungsbedürfnis führt.
Um zu entscheiden, ob ein Gespräch sinnvoll zu führen ist, rät Djassi, zunächst die Situation zu analysieren: Wo bin ich hier? Wer ist dabei? Ist mein Gegenüber gesprächsbereit, oder will es nur Parolen verbreiten? Sind Leute anwesend, die durch das Gespräch verletzt werden könnten? Passt die Diskussion überhaupt zum gegenwärtigen Thema?
Erscheint ein Gespräch sinnvoll, gibt Djassi fünf Tipps zum Verhalten:
- Bleibe cool! „In normaler Tonlage bleiben, sich nicht provozieren lassen“
- Stelle offene Fragen! „Wie meinst du das? Welche Erfahrungen hast du gemacht? Was verstehst du genau darunter? Was stört dich daran?
- Höre zu! „Wenn ich meine Gesprächspartner ernst nehme und sie ausreden lasse, kann ich dies auch von ihr erwarten.“
- Formuliere Kritik höflich! „Persönlich formulieren (Ich-Botschaften), eigene Erfahrungen einbringen, eigene Verletzungen formulieren, eigene Worte benutzen und die ideologisch aufgeladenen Begriffe nicht übernehmen. Es geht um Dialog, nicht um Gewinnen.“
- Agiere selbst! „Beim einem Thema bleiben und sich nicht vom Themenhopping verunsichern lassen. Auf gemeinsame Grundlagen einigen, Gesprächsregeln formulieren.
Ist die Person, mit der man spricht, nicht bereit, sich auf ein Gespräch in diesem Rahmen einzulassen, darf das Gespräch jederzeit abgebrochen werden.
Barbara Djassi zeigt sich beeindruckt von den „Sozialen Grundsätzen der EmK“ und dem erklärten Willen, verschiedenen Positionen in der Kirche Raum zu geben, solange sie nicht ausgrenzend sind. Sie ermutigt uns, auf dieser Grundlage weiter Gespräche zu suchen und für die eigenen Überzeugungen einzutreten.
Dagmar Köhring
Zwei Buchtipps:
„Sprich es an. Rechtspopulistischer Sprache radikal höflich entgegentreten“ von Philipp Steffan und Tobias Gralke.
Dazu das Spiel „Sag was“
Buchtipp von Stefan Reinhardt zum Thema: Bernhard Schlink, Die Enkel.
Das Buch von Bernhard Schlink: „Die Enkelin“