Konferenznachmittag Konzert 2Flügel – Die goldenen 20er
Die Goldenen Zwanziger – mit ihrem neuen Programm bereitete das Duo 2Flügel den Zuhörenden einen humorvoll und nachdenklichen, einen leichtfüßigen und berührenden Konferenzsonntagnachmittag. 2Flügel, das sind die Theopoetin Christina Brudereck und ihr Mann Ben Seipel, Dozent an der Musikhochschule Köln.
Es ging bei dem Programm um die Frage, was die goldenen Zwanziger des 20. Jahrhunderts für die aktuellen Zwanziger unseres Jahrhunderts austragen.
Das Programm von 2 Flügel ist virtuos. Sowohl bei Ben Seipels Spiel auf dem Flügel und seinem Gesang als auch in den Worten von Christina Brudereck. Man merkt, alles ist hervorragend recherchiert und auf ein passendes Timing im Konzertablauf abgestimmt.
Das Konzert beginnt – wie viele andere Konzerte im Moment – auch mit einem kurzen Augenblick der Stille und dann der ukrainischen Nationalhymne. Anschließend stellen die beiden sich humor- und liebevoll mit einer Prise Selbstironie gegenseitig vor. Christina Brudereck beschreibt in kleinen Szenen, wie die 1920er Jahre eine Zeit des Aufbruchs und der Blüte war, die schon bald vom Nationalsozialismus beendet wurde. Sie nennt Personen aus Literatur, Musik, Politik, Medizin und Forschung, die der Zeit ein Gepräge gegeben haben. Vor allem jüdische Menschen.
Ben Seipel flicht Songs aus den 20ern ein, wie zum Beispiel den Ragtime „Maple Leaf Rag“ von Scott Joplin, „Lili Marlen“, „Bei mir beste scheen“ oder „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“. Christine Brudereck erinnert sich an ihre Großmutter und erzählt von einer Reise in deren masurische Heimat. Sie stellt die Frage „Was haben uns unsere Großmütter mitgegeben?“ und konstatiert „Unsere Erinnerung prägt unsere Persönlichkeit“. Überhaupt sind es solche Sätze, die hängen bleiben. „Geschichte kann tröstlich sein“ ist so einer. Oder „Erinnern geschieht heute für morgen“. Als ihre eigene Prägung nennt sie „ein tiefes Vertrauen, wir sind nie allein“. Dazwischen eine Klavierimprovisation über „Bleibend ist dein Treu“ von ihrem Mann.
Dieses Erinnern zieht sich durch das ganz Programm, begleitet von musikalischen Einsprengseln von Ben Seipel. Höhepunkt am Klavier: Ein dreiminütiges Medley mit 20 Melodieschnipseln von Johann Sebastian Bach bis Andreas Bourani.
Schließlich landen die beiden bei Ernst Barlach, seinem goldenen Engel und dessen Gesichtsausdruck, der auch auf einer aktuellen 270er Briefmarke verewigt wurde, der aber auch in Südamerika bekannt ist. „Kunst verbindet Kulturen“ – auch so ein Satz der hängenbleibt.
Dieser Rückblick ist nicht nur verklärte Nostalgie, sondern überraschend neu, wenn Christina Brudereck zum Beispiel auf ihr eigenes Älter-Werden kommt. „Heut ist an mir alles weich“ sagt sie überraschend selbstironisch und irgendwie trotzdem mit sich selbst im Reinen.
Es sind diese kleinen Geschichten, die das Konzert so berührend machen, wie das Klavierstück mit der Glocke, bei der Moderatorin Monika Brenner musikalisch assistieren darf. Oder die Geschichte von Mrs. Churchill und dem Straßenfeger, der früher mal in sie verliebt war. „Dann wärest du heute Frau eines Straßenfegers“ sagt Churchill etwas selbstgefällig, „Nein, Darling, dann wäre er heute Premierminister“ antwortet sie schlagfertig.
Am stärksten hat mich die Geschichte von Amanda Gorman beeindruckt, dem kleinen schwarzen Mädchen, Nachfahrin von Sklaven, mit einem Sprachfehler. Sie konnte einfach kein rollendes „R“ und kein zischendes „Sch“ hinbekommen, aber anrührende Gedichte schreiben. Mit ihrem strahlend gelben Mantel trug sie bei der Amtseinführung von Joe Biden ein fehlerfreies Gedicht, das die ganze Welt berührte. () „Ich hoffe, sie wird 2036 als Präsidentin kandidieren“ sagt Christina Brudereck.
Kunst als Bindeglied zwischen den Jahrhunderten wird spürbar.
„Wir sind nicht allein. Das Leben geht weiter – mit uns.“ Das ist die einfache, aber doch tröstliche Botschaft, mit der 2 Flügel das Publikum auf die Heimfahrt entlässt.
Joachim Schumann
Monika Brenner hat die Zuhörenden nach dem Konzert mit diesem Segen entlassen:
Segen am Ende des Konferenznachmittages
Ihr seid das Salz der Erde, vielleicht nur ein Korn.
Aber das Korn, man wird es schmecken.
Ihr seid das Licht der Welt, vielleicht nur ein Funke.
Aber der Funke fällt hell auf den Weg.
Ihr seid die Stadt auf dem Berge, vielleicht nur ein Haus.
Aber das Haus lacht aus den Fenstern.
(Rudolf O. Wiemer)
Und nun geht in der Kraft, die euch von Gott gegeben ist
Geht einfach, geht leichtfüßig, geht zart
Und haltet Ausschau nach der Liebe, Gottes Geist begleitet euch.
(Sendungswort ök. Rat der Kirchen Canberra 1991)