Kohelet – älles Soifablosa?
Im Nachmittagsprogramm des Konferenzsonntags ging es auch um die Frage nach dem Glück. Eine Gruppe von Glücksuchenden fand sich dazu in der Albert-Schweitzer-Schule ein und lauschte einem Interview zwischen Kohelet (Prof. Dr. Jörg Barthel) und einem Studierenden der Theologischen Hochschule Reutlingen (Frederik Ehmke).
Nachdem Superintendentin Dorothea Lorenz begrüßt und eingeführt hatte, ging es gleich zur Sache. Kohelet, ein jüdischer Weiser, stand Rede und Antwort zu seinen Versen, die sich in unserer Bibel finden. Im 3. Jh. v.Chr. hat er sie aufgeschrieben, um der griechischen Philosophie seiner Zeit eine dem hebräischen Denken angemessene Antwort auf die Frage zu geben, was Glück bedeutet.
Dabei will er partout kein Lebensratgeber sein, sondern mit seinen kritischen Gedanken die Lesenden zum Nachdenken anregen. Mit seinen Lieblingsworten: „alles ist Windhauch“ oder „alles ist Haschen nach Wind“ (schwäbisch: älles Soifablosa) und dem Ausspruch, dass es nichts Neues unter der Sonne gebe, will er allerdings keine miesepetrige Stimmung verbreiten. Vielmehr geht es ihm darum, die Vergänglichkeit und Begrenztheit menschlichen Lebens und Schaffens aufzuzeigen. Die eingestreuten Lesungen (vorgetragen von Annette Schöllhorn) führten das Gespräch zwischen Kohelet und dem Studierenden in einen Befreiungsschlag: Kohelet will mit seinen Aussagen zerstören! Und zwar eine falsche Haltung und Auffassung von Glück, nämlich die, dass wir es anstreben, machen, darüber verfügen könnten. Das redet keinem passiven Fatalismus das Wort, sondern regt an zu aktivem Realismus. Etwas zu erstreben, wie Weisheit, gutes Handeln und persönliche Entwicklung ist richtig und wichtig. Aber immer mit der nötigen Prise Gelassenheit und in dem Bewusstsein, dass keine Anstrengung Glück, Erfolg oder Reichtum erzwingen kann. Sie fallen den Menschen zu als Geschenk Gottes. Ein Geschenk, das immer nur im Jetzt und Hier zu finden ist und in der Tischgemeinschaft oder dem liebevoll zugewandten Beziehungsgeschehen erfahren werden kann.
Glück ist nicht im Perfektionismus zu finden, sondern es lässt sich erfahren im stetigen Prozess des Erkennens der Welt und einem ihr angemessenen Handeln. Alles hat seine Zeit, nicht deine! Das war ein Aha-Moment. Wer aufmerksam bleibt für die eigene Begrenzung und mit dankbarer positiver Grundhaltung auch das Leiden erträgt, der erkennt, dass Gott die Ewigkeit ins Herz gelegt hat. Die lässt die Menschen sehnsuchtsvoll nach Gott fragen und führt in eine Dimension des Lebens, in der die Ehrfurcht vor Gott und seiner uferlosen Gnade wachsen kann und Freude bewirkt. Eine Freude, die auch in schlechten Zeiten durchträgt.
In anschließenden Murmelgruppen erzählten sich die Glücksuchenden im Plenum von ihren eigenen Eindrücken zu Kohelets Worten. Am Ende verließen die Teilnehmenden beglückt den Raum. Glück kann dort erfahren werden, wo der menschliche Anspruch, es sich selbst zu verschaffen, aufgegeben wird. Auch in Hinblick auf die hinter uns liegenden Konferenzbeschlüsse eine mut- und bei allem Streben auch gelassen machende Perspektive für die Zukunft: „Gott hat alles zu seiner Zeit auf vollkommene Weise getan.“ Koh 3,10
Raphaela Swadosch