Begegnungen auf Augenhöhe
Dr. Christoph Schluep, Professor für Neues Testament an der Theologischen Hochschule Reutlingen, brachte die Konferenzteilnehmenden mit einem prophetischen Einstieg in seine Bibelarbeit am Samstagmorgen zum Lachen (Schweiz – Deutschland 5:1). Der ehemalige Pastor der EmK im Züricher Rotlichtviertel und Nachfolger von Roland Gebauer sieht es als seine vorzüglichste Aufgabe, das, was er an der THR lernt und lehrt, wieder in die Kirche zurück zu tragen. Schwungvoll stieg die Konferenzgemeinde mit dem Lied „Welch ein Freund ist unser Jesus“ und einem leidenschaftlichen Gebet von Schluep in die Bibelarbeit zum Thema „Menschen begegnen am Beispiel von Jesus, Paulus und Judas“ ein.
Zu Beginn berichtete Schluep von seiner Zeit als „Spaghetti-Pfarrer“ in der EmK-Zürich, die für Menschen aus dem Rotlicht Milieu an jedem Freitag ein warmes Mittagessen anbietet – immer Spaghetti. An einem solchen Freitag begegnete Schluep einer Frau, die vermutlich drogensüchtig und als Sexarbeiterin zum Mittagessen in die Kirche kam. Ihr begegnete er mit Freundlichkeit und begrüßte sie persönlich, dafür bedankte sie sich („Du bisch ein Gueter“) und kam nie wieder. Aber in dieser Begegnung wurde etwas vom Himmelreich sichtbar, nicht nur für die Frau, sondern auch für Schluep selbst.
Die Begegnung auf Augenhöhe mit allen Menschen, egal welcher Herkunft und in welchem Zustand sie sind, ist etwas, das wir von Jesus lernen können, der selbst ganz Mensch war. Gott wird nahbar und persönlich erfahrbar in Jesus, der sich für alle Menschen interessiert. Er lädt die Jünger in sein Haus ein, wäscht ihnen die staubigen Käsefüße und hat keine Berührungsängste mit Kranken und Außenseitern. Jesus schert sich wenig um seinen guten Ruf. Er begegnet Menschen, deren Ruf schon lange geschädigt ist, Prostituierte, Zoll-Einnehmer. Schluep fragte in die Runde: Wie begegnen wir in unseren Gemeinden und auch persönlich im Alltag den Menschen, die nicht ins Schema passen, die uns unangenehm sind, schwierig im Verhalten oder mit zweifelhaftem Ruf? Für Jesus ist es immer die Liebe, die in der Begegnung auf Augenhöhe ihre Kraft entfaltet. Vielleicht nicht immer sofort, aber in nachhaltiger Weise. Der Apostel Paulus macht es Jesus nach, so Schluep. Er dient den Menschen mit erheblichem persönlichen Risiko. Er nimmt Folter, Gefängnis, Schimpf und Schande auf sich, um die Botschaft von der befreienden Kraft des Evangeliums unter die Leute zu bringen. Paulus nimmt dabei dennoch eine bittende Haltung gegenüber den Menschen ein, denen er begegnet. Bitten sind nicht bindend, sind keine Befehle, sind kein von oben herab gesprochenes Besserwissen. Ein Nein auf die Bitte hin ist dabei immer möglich. Die Freiheit zum Ja oder Nein des Gegenübers zu achten, entspricht der Begegnung auf Augenhöhe. Der Brief des Jesusbruders Judas, ist in der Kommentarliteratur, so Schluep, allgemein bekannt als Gerichtsbrief, der einen strafenden Gott inszeniert. Dennoch beginnt dieser Brief mit dem Wunsch, dass die Barmherzigkeit in der von Judas adressierten Gemeinde reichlich wohne. Schluep hob hervor, dass im Brief zur Nachsicht gegenüber den Zweiflern aufgefordert und dazu ermahnt wird, den Menschen nicht richtend, sondern rettend zu begegnen.
Am Ende seiner Bibelarbeit lud Schluep die Konferenzteilnehmenden dazu ein, miteinander ins Gespräch zu kommen darüber, ob seine Ausführungen eigentlich stimmen und wie eigene Begegnungen mit anderen Menschen bisher verlaufen sind. Wie wir uns zukünftig in die Begegnung auf Augenhöhe mit den Menschen nach Jesu Vorbild einüben können, gab Schluep den Anwesenden als „Hausaufgabe“ mit und schloss seine alltagspraktischen Ausführungen mit einem ermutigenden Gebet.
Dr. Raphaela Swadosch
Gibt es die Bibelarbeit auch wieder komplett (z. B. als PDF)?
Sie wurde frei gehalten – ein gedruckter Text liegt uns nicht vor.
Herzlichen Dank für diese extrem wertvolle Bibelarbeit und liebe Raphaela für deine triftige Zusammenfassung.
Danke für alle sehr wertvollen Impulse morgens, mittags, abends (und nachts bin ich selber nicht dabei gewesen)
Danke, dass bei aller „Konferenzarbeit“ es nicht aus dem Blickfeld geraten ist warum und für wen wir uns versammelt haben.